Ackerbau ohne Glyphosat (wesentlich ergänzt)

Ein Beitrag von Dr. Sonja Dreymann

Die Entscheidung über die weitere Zulassung von Glyphosat zählt zu den Spitzenmeldungen in diesen Wochen und hat sogar die Bundeskanzlerin erreicht. Fakt ist, dass der alte Status nie wieder erreicht werden wird. Zu groß sind die Bedenken vieler Verbraucher und Wissenschaftler, die Gegnerschaft aller Umweltorganisationen, der Druck auf den Einzelhandel. Weiter so geht nicht mehr! Deshalb ist es jetzt wichtig, finanziell tragfähige Alternativkonzepte zu entwickeln. Dafür sollte ein Forschungsrahmen von vier Jahren zur Verfügung stehen, um alle wichtigen acker- und pflanzenbaulichen Fragen zu klären, am besten in den klassischen Ackerbauregionen, aber auch für die Anwendungen in Spezialkulturen. Besonders wichtig sind die Erfahrungen derjenigen Betriebe, die mit dem Wirkstoff bereits jetzt sehr sorgsam umgehen. Die agrarökonomischen Studien zu diesem Thema reichen nicht aus, weil sie nur den Status Quo beleuchten, nicht aber die ackerbauliche Dynamik, die durch einen Verzicht ausgelöst wird. Welche Alternativen stehen den Landwirten derzeit zur Verfügung?

  1. Umstellung auf biologische Bewirtschaftung
  2. Verstärkter Pflugeinsatz
  3. Verstärkte mechanische Bekämpfung
  4. Einsatz anderer Herbizide
  5. Andere Möglichkeiten

 

zu 1) Die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung wird begrenzt durch den Umstellungsprozess und die oft einengenden Vorschriften. Ein bisschen „Bio“ geht nicht. Wer bislang Erträge von über 10 Tonnen Winterweizen gewohnt ist, wird sich nicht mit 4 bis 5 Tonnen zufrieden geben.

zu 2) Die verstärkte Rückbesinnung auf den Pflug hat mehr Nachteile als Vorteile. Die Unkraut- und Ungrassamen sowie Ausfallgetreide und –raps verschwinden nicht dadurch, dass sie untergepflügt werden. Mit einem verstärkten Pflugeinsatz sind zahlreiche Gefahren verbunden. Wind- und Wassererosion, Humusverlust, deutlicher Verlust an Regenwürmern.

zu 3) Selbst wer glaubt, dass eines (fernen) Tages kleine Roboter gezielt die Unkräuter herausstechen, wird sich nicht der Illusion hingeben, dass der mechanischen Unkrautbekämpfung eine große Zukunft bevorsteht.

zu 4) Die zunehmende Herbizidresistenz speziell von Ungräsern zeigt, dass dieser Weg ebenfalls nur eingeschränkt beschritten werden kann. Neue Wirkstoffe sind Mangelware. Das Ziel muss es sein, Herbizide so selten wie möglich einzusetzen.

zu 5) Unter diesem Punkt finden sich alle die Möglichkeiten wieder, mit denen sich Wissenschaft und Beratung bislang nur am Rande oder überhaupt nicht beschäftigt haben.

Viele Teile der Lösungen sind im Bodeninformationsdienst beschrieben. Besonders hervorzuheben ist der Beitrag „Vom Segen der Humusmehrung“. Folgende Verfahren stehen im Mittelpunkt:

  • ganzjährige Bodenbedeckung mit Vegetation (Zwischenfrüchte, Untersaaten) sowie Mulchschichten aus Ernteresten. Welches Maß an Stoppelbearbeitung ist erforderlich, um Ausfallgetreide und Raps zum Keimen zu bringen? Häufig werden genügend Körner durch Vögel, Mäuse, Schnecken, Grillen und Laufkäfer gefressen. Nach Aussagen der Universität Rostock gehen auf diese Weise bis zu 90 % der Samen verloren. Derzeit läuft dort ein Forschungsprogramm zu dem Thema. Die  Verringerung der Wasservorräte im Boden wird oft überschätzt. Entscheidend ist die Steigerung der Wasserspeicherfähigkeit der Böden.
  • Fruchtwechsel mit Sommerungen und Winterungen; Einbau von Kleegras. Es macht Sinn, dem Boden hin und wieder ein wenig Ruhe zu gönnen. Dadurch werden Bodenflora und –fauna weniger beansprucht, und der Humusgehalt stabilisiert sich. Die Auswertung weltweiter Versuche durch das irische Teagasc-Agrarforschungszentrum kam zum Ergebnis, dass die Fruchtfolgewirkungen von Körnerleguminosen und Ölfrüchten auf die nachfolgenden Weizenerträge in Europa durchschnittlich+ 24 % betrugen (-27 bis +224 %), in Australien sogar + 33 % (-25 bis +187 %). In Nordamerika waren es + 16 % (-50 bis + 60 %).
  • Kombination mit der Haltung von Wiederkäuern. Bis in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben die meisten bäuerlichen Betriebe sowohl Ackerbau als auch Viehhaltung betrieben. Durch die Spezialisierung haben sich zahlreiche Ungräser und Unkräuter so stark vermehrt, die durch die herkömmlichen Herbizide immer schlechter bekämpfbar wurden. Denkbar ist eine stärkere Beweidung durch Schafe (in Kombination mit dem nächsten Punkt).
  • Untersaaten und Zwischenfrüchte, die sich bei der Durchwurzelung ergänzen. Deren unkrautunterdrückende Wirkung steht außer Zweifel. Wichtig sind vielfältige Artenmischungen. Bemerkenswert ist ein detaillierter mehrjähriger Versuch am schweizerischen Agroscope in Nyon. Im Vergleich zur Schwarzbrache wurden durch den Anbau von Buchweizen, Sorghum und Braunen Senf 99 bis 100 % (!) der verschiedenen in diesem Versuch getesteten Unkrautarten unterdrückt (Hühnerhirse, Weißer Gänsefuß, Vielsamiger Gänsefuß, Sonnenwend-Wend-Wolfsmilch, Gewöhnliches Hirtentäschel, Acker-Schachtelhalm, Gewöhnliche Gänsedistel). Auch die Luzerne als Vorfrucht verschwand unter den Zwischenfrüchten. Die fast vollständige Wirkung war nicht nur auf die starke Lichtkonkurrenz (97 bis 98 %), sondern in bestimmten Entwicklungsphasen auch auf allelopathische Effekte zurückzuführen. Die Nährstoffkonkurrenz um N, P, K und Mg spielte keine Rolle. Die anderen Nährstoffe wurden aber nicht untersucht. Wasser spielte in dem Versuch nur eine marginale Rolle. Interessant ist auch der Hinweis aus der Universität Göttingen, dass der Windhalm sehr empfindlich reagiert, wenn zum Zeitpunkt des Keimens gleichzeitig Weißklee aufläuft. Die Echte Kamille reagiert ähnlich auf Grasuntersaaten. Die unkrautunterdrückende Wirkung einer Kleeuntersaat beruht in erster Linie auf Beschattung und mechanischer Verdrängung bei geringer Biomasseentwicklung. Ferner spart die Untersaat Wasser durch die Abdeckung des Bodens und dadurch verringerter Einstrahlung an der Bodenoberfläche. Zusätzlich sammeln die Fiederblätter der Leguminosen Tauwasser. Wichtig sind verringerte Bestandesdichten im Weizen. Der Winterweizen verträgt starke Frühjahrsuntersaaten mit Rotklee (10 – 15 kg/ha), weißklee (5 – 8 kg) oder Gelbklee (15 – 20 kg), Hornschotenklee oder deren Gemische. Auch die Einsaat von Winterweizen in einen Weißklee-Bestand (Bi-Cropping) ist möglich. Wintergerste ist konkurrenzstark und neigt zur stärkerer Beschattung und Lager. Beim Winterroggen eignen sich in feuchteren Gebieten Rotklee oder Weiße Lupine (Einsaat zum Schossen), in Trockengebieten zum Schossen Weißklee oder Gelbe Lupine bzw. Serradella. Für Raps werden 3 kg Weißklee empfohlen.
  • Gewissenhafte Kontrolle der Ackerrandstreifen, um die Besiedlung hartnäckiger Unkräuter und Ungräser zu vermeiden. Besser ist aber die gezielte Anlage von Blühstreifen, wie diese in vielen Bundesländern bezuschusst wird. Deren Breite sollte 6 bis 12 Meter betragen. Dazu gibt es detaillierte Broschüren, u.a. auch von Agrochemieunternehmen.
  • Ausgewogene Pflanzenernährung. Die weltweiten Erfahrungen von Neal Kinsey mit dem Albrecht-System haben gezeigt, dass viele Unkräuter und Ungräser ein anderes Nährstoffprofil aufweisen als Kulturarten, die ausgewogen ernährt werden. Viele der schwer bekämpfbaren Arten treten dann seltener oder überhaupt nicht mehr auf. Nach Angaben der Agrarforschungsstation Rothamsted reagiert Löwenzahn sehr stark auf Kali-Überschüsse; dessen Ausbreitung wird um das 4- bis 7fache gesteigert; auch Kalk fördert das Löwenzahn-Aufkommen. Durch Banddüngung von Stickstoff verringert sich der Unkrautaufwuchs um 20 bis 40 %; das haben Weizenversuche in den kanadischen Provinzen Alberta und Saskatchewan bewiesen.
  • Nutzung von Biostimulantien zur Saatgutbehandlung, um den Kulturpflanzen einen Wachstumsvorsprung zu geben.

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Dr. Sonja Dreymann

Ich habe das Unternehmen Dreymann-Agrar 2015 gegründet mit dem Ziel, für die Landwirtschaft eine unabhängige Fachberatung zum Boden anzubieten. Mit den Bodenkursen unterstütze ich Landwirte und die weiteren landwirtschaftlichen Akteure (Beratungsvereine, Verbände etc.) im Norddeutschen Raum, sich mit einem neuen Blickwinkel der Bodenbewirtschaftung zu widmen und neue Methoden und Lösungsansätze anzuwenden.