Kalzium

Ein Beitrag von Dr. Sonja Dreymann

Boden und Pflanze

Wer an Kalzium denkt, meint in der Regel Kalk und den pH-Wert. Über die Steuerung des pH-Wertes erhoffen sich die Landwirte optimale Bodenverhältnisse, ohne genau zu wissen, was diese für die Pflanzen bedeuten.

Da sich die Kalkdünger aber unterschiedlich zusammensetzen, sollte der Kalziumgehalt bekannt sein ebenso die Verfügbarkeit. Die Kalziumverfügbarkeit hängt vom Feinheitsgrad ab. Außer den Kalken gibt es noch die Kalziumphosphate, den Gips, den Kalkammonsalpeter, Kalksalpeter und andere kalziumhaltige Düngemittel. Die CaO-Gehalte variieren zwischen 19 % für flüssigen, Carbokalk, 43 – 47 % für Hüttenkalk, 45 – 53 % für kohlensauren Kalk und 80 – 95 % für Branntkalk.

Wer die Bedeutung des Kalziums lediglich auf den pH-Wert beschränkt, übersieht dessen Schlüsselrolle in der Pflanzenernährung. Das zu den sekundären Nährelementen zählende Kalzium sollte zu mindestens 60 % in der Basensättigung vorhanden sein, um seine Wirkung optimal entfalten zu können. Kalzium fördert nicht nur die Stickstoffeffizienz, sondern ist für die Aufnahme aller Nährelemente in die Pflanze von entscheidender Bedeutung. Ca-Gehalte von über 80 % in der Basensättigung blockieren fast alle Mikronährstoffe (außer Molybdän).

Es gibt kalkmeidende und kalkliebende Arten. Die kalkmeidenden Pflanzen (z.B. die Sparrige Binse und das Borstgras) akzeptieren exzessive Aluminium-, Mangan- und Eisengehalte. Dagegen sterben kalkliebende Arten wie der Oreganum bei niedrigen Ca-Gehalten ab, bei denen sich die kalkmeidenden Arten wohl fühlen; sie reagieren aber andererseits unempfindlich auf P- und Fe-Mangel. Kalkliebend sind ferner die Kreuzblütler, die Bohnenarten und die Dickblattgewächse. Kalkmeidend sind die Doldenblüterartige (u.a. Möhren, Sellerie, Fenchel, Koriander, Kerbel, Petersilien und Pastinaken) und Asternartige (u.a. Chrysanthemen, Sonnenblumen, Löwenzahn, Studentenblumen, Ringelblumen, Gerbera, Dahlien, Kletten). Diese werden auch als „Kalium-Pflanzen“ bezeichnet, das heißt sie besitzen in den Sprossen einen hohen K-/Ca-Quotienten. Hinzu kommen die Sauerkleegewächse, die sich durch hohe Oxalatgehalte auszeichnen und dadurch die Ca-Aufnahme verhindern. Eine weitere Gruppe sind die Nelkengewächse, die Gänsefußgewächse, die Knöterichgewächse, der Rhabarber), bei denen das Kalzium als Ca-Oxalat ausgefällt wird. Die Kalziumaufnahme findet über Wurzelspitze statt und die Teile des Wurzelnetzes, in den sich die Lateralwurzeln bilden. Selbst bei identischen Gehalten im Boden gibt es große Unterschiede im Kalziumgehalt des Sprosses. Der Kalziumgehalt im Spross der Einkeimblättrigen ist niedriger als bei vielen Zweikeimblättrigen. Unter den Einkeimblättrigen enthalten die Gräserarten weniger Kalzium als die Spargelartigen (u.a. Spargel, Lauchgewächse und Schwertlilien). Zum tieferen Verständnis noch ein weiterer Hinweis: der Kalziumgehalt im Spross ist korreliert mit der Kationen-Austausch-Kapazität im Apoplasten der Wurzeln. Der Apoplast umfasst alle Zellwände und den Raum zwischen den Zellen (den Protoplasten). Der Apoplast wird bestimmt durch den Pektingehalt, und der ist niedrig in allen Gräserarten. Diese Zusammenhänge beweisen die Bedeutung des Kalziumanteils in der Basensättigung! Ist er zu niedrig (das heißt unter 60 %) treten verstärkt die Kalzium-meidenden Unkräuter auf.

Funktionen

Das zweiwertige Kalzium ist für den Aufbau der Zellwände und Membrane erforderlich. Es puffert die anorganischen und organischen Anionen in den Vakuolen ab und hilft den Pflanzen bei der zahlreichen Entwicklungsschritten und der Beantwortung von Umweltreizen. Die Pflanzen besitzen ein System von Enzymen und Kanälen, das eine schnelle Aufnahme erlaubt, aber gleichzeitig Vergiftungen durch zu hohe Kalzium­konzentrationen in den Zellen verhindert. Es gibt zwei unterschiedliche Transportwege von den Wurzeln in den Spross; der eine (apoplastische) läuft außerhalb der Zelle über das Xylem und wird durch die Transpiration gesteuert; der symplastische Transport läuft über die Endodermis-Zellen. Die Endodermis ist eine Art Zylinder rund um das Leitbündelsystem der Wurzel. Durch diese beiden Wege wird sichergestellt, dass immer genügend Kalzium in den Spross gelangt. Der apoplastische Weg Transport ist nicht selektiv, der symplastische unterscheidet zwischen verschiedenen zweiwertigen Kationen (außer Barium und Strontium). Dabei können Magnesium, Mangan, Nickel oder Zink entfernt werden. In allen Pflanzenmembranen gibt es ein System verschiedener Kalzium-durchlässiger Kanäle, die als Signalgeber in den Zellen wirken, z.B. bei Stress, die aber auch den Kalzium-Transport und den Transport anderer Kationen in verschiedene Zelltypen steuern. Bei abiotischem Stress kommt es zu einem unmittelbaren starken, aber vorübergehenden Kalzium-Anstieg in den Pflanzenzellen, der von einem länger andauernden, aber moderaten Kalzium-Anstieg abgelöst wird. Das beweist die wichtige Funktion von Kalzium bei der Bewältigung von Hitze, Kälte oder Salzstress. Die unterschiedlichen Transportwege sind möglicherweise für die unterschiedlichen Reaktionen auf die Standortverhältnisse verantwortlich. Eine ausreichende Kalzium-Versorgung ist auch wichtig für die  .

Das Kalzium-Signal-Netzwerk dient den Pflanzen als eine Art Gedächtnis, das auch eine Lernfähigkeit mit einschließt. Dabei spielen an Kalzium gebundene Proteine eine Rolle; davon gibt es zwei Gruppen. Das in der Zellflüssigkeit vorhandene Kalzium reguliert die genetischen Funktionen (DNA-Transkription, Mitose, Meiose). Es gibt spezifische Kalzium-Sensoren, die an bestimmten physiologischen Antworten beteiligt sind, sei es bei der Pflanzenentwicklung oder auch in Bezug auf die Umweltbedingungen, das heißt Kalzium ist eine Art Botschafter, der Wachstumsimpulse und Umwelteinflüsse miteinyander verknüpft. Kalzium ist ein zentraler Regulator für das Wachstum und die Entwicklung der Pflanzen.

Pflanzen haben zwar keine Muskeln, können aber auch das Fließen des Zellsaftes zum Stillstand bringen. Verantwortlich dafür ist das Kalzium. In der Nacht liegen hohe Kalzium-Werte vor, so dass das Fließen unterbrochen wird; tagsüber ist es umgekehrt.

Kalzium ist auch an der Bildung von Alpha-Amylase beteiligt. Dadurch können Getreidekörner keimen, und Früchte werden süßer. Bei diesem Prozess spielt die Gibberelinsäure eine wichtige Rolle; Kalzium steuert aber auch das Hormon Cytokinin, einerseits indem es die Abreife verzögert, andererseits indem es Bildung von Pflanzenfarbstoffen behindert.

Unter natürlichen Bedingungen enthalten die Pflanzen zwischen 0.1 und 5 % Ca (1 bis 50 Gramm je kg) in der Trocken­masse. Für die meisten Kulturarten ist ein Gehalt von 0.5 % ausreichend. Getreide und Gräserarten haben einen niedrigen Kalziumbedarf, ebenso die Blaue Lupine; viele Obst- und Gemüsekulturen einen deutlich höheren Bedarf (insbesondere Äpfel, Tomaten und Salate). Die Kalzium-Konzentrationen sind in Tomaten 40mal so hoch wie in Weidelgras (2,5 µMol ggü. 100 µMol). Das  hängt mit dem hohen Bedarf für das Pflanzengewebe zusammen. Dabei gibt es deutliche Sortenunterschiede. Kalziummangel ist selten und tritt vor allem bei extrem niedrigen pH-Werten und bei geringen Ca-Anteilen in der Basensättigung auf. Kalziummangel kann aber auch speziell in Gartenbaubetrieben auftreten, wenn Jungpflanzen einen hohen Ca-Bedarf aufweisen und die Pflanzenverfügbarkeit des Kalziums eingeschränkt ist. Kalzium kann nicht aus dem älteren Gewebe mobilisiert und über das Phloem transportiert werden. Deshalb muss eine ausreichende Transpiration gewährleistet bleiben, um Ca-Mangel zu vermeiden und eine gleichbleibende Versorgung zu gewährleisten. Andernfalls kann es bei plötzlich auftretendem Starkregen zum Aufreißen der Früchte kommen, häufig bei Tomaten zu sehen.

Für ein optimales Wachstum sollte der Kalzium-Gehalt in der Bodenlösung deutlich höher sein als in Nährlösungen. Das schützt die Wurzeln vor nachteiligen Effekten durch hohe Konzentrationen anderer Kationen. Das hängt damit zusammen, dass Kalzium von den Bindungsplätzen leicht durch andere Kationen verdrängt werden kann. Kalziumtoxizität ist weitgehend unbekannt. In den älteren Blättern kann der Ca-Gehalt mehr als 10 % der Trockenmasse ausmachen, ohne dass dadurch das Wachstum beschränkt wird.

N E U ! Nach einer erst kürzlich erschienenen Veröffentlichung in Nature hilft Kalzium Schäden durch Versalzung zu vermeiden. Das wurde bei einem Versuch mit Artischoken festgestellt. Dieses exotische Gemüse gilt als versalzungstolerant. Diese Tolderanz ist auf relativ hohe Kalzium-Konzentrationen in der Wurzel zurückzuführen. Bei der Versalzung verdrängt das Natrium andere Kationen in der Wurzel.            Aus Nature, Scientific reports 6 vom 8.2.2016

Mensch und Tier

Kalzium spielt bei zahlreichen Lebensprozessen eine zentrale Rolle, etwa bei der Zellteilung, dem Tag-Nacht-Rhythmus und bei der Kommunikation zwischen den Zellen. Entscheidend ist dabei ein Gefälle der Kalziumkonzentration; die Konzentration ist normalerweise außerhalb der Zellen hoch und in der Zelle niedrig. Für dieses Gefälle sorgt u.a. eine Kalziumpumpe, die in allen höheren Organismen vorkommt – von der Brennnessel bis zum Blauwal.

Im menschlichen Zellkern reguliert Kalzium u.a. die Gentranskription und die Freisetzung von Neurotransmittern; außerdem reguliert Kalzium den Herzschlag. Durch Störung des Kalzium-Haushalts können mehrere Krankheiten verursacht werden. Im Alter und auch bei neurodegenerativen Erkrankungen scheint die Kalzium-Pumpe aufgrund eingeschränkter Gehirnaktivität nicht mehr voll funktionsfähig zu sein, was die Expression der aktivitätsgesteuerten Überlebensgene vermindert und zum Absterben von Nervenzellen führt. Das zeigen neurobiologische Forschungen an der Universität Heidelberg. Fazit: ein aktives Gehirn wirkt lebensverlängernd! Das ideale Kalzium-Magnesium-Verhältnis wird mit 2 : 1 angegeben.

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Dr. Sonja Dreymann

Ich habe das Unternehmen Dreymann-Agrar 2015 gegründet mit dem Ziel, für die Landwirtschaft eine unabhängige Fachberatung zum Boden anzubieten. Mit den Bodenkursen unterstütze ich Landwirte und die weiteren landwirtschaftlichen Akteure (Beratungsvereine, Verbände etc.) im Norddeutschen Raum, sich mit einem neuen Blickwinkel der Bodenbewirtschaftung zu widmen und neue Methoden und Lösungsansätze anzuwenden.